Das Kreuz über der Weltkugel

 

    Wimpel einer evangelischen Jungenschaft aus den 1950er Jahren
Wimpel einer evangelischen Jungenschaft aus den 1950er Jahren

Mir ist noch gut in Erinnerung, wann ich das Abzeichen mit dem Kreuz über der Weltkugel erhielt. Das geschah - wenig feierlich - am Ende einer Besprechung der Ehrenamtlichen meiner Gemeinde Mitte der 1970er Jahre. Knapp erläuterte unser Diakon, daß ich nun Mitglied der Evangelischen Jugend sei. Auf meine Frage, wann und wo die sich denn treffe, erhielt ich zur Antwort, da gebe es keine feste Gruppe. Evangelische Jugend sei nur die allgemeine Bezeichnung für alle konfirmierten Jungen und Mädchen, die aktiv am Gemeindeleben teilnähmen.

 

Die heute verbreitete Bezeichnung „Kugelkreuz“ war zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gebräuchlich. Sie ist nicht nur unschön, sondern auch irreführend, und mancher meint, es handele sich um einen bewußt abfälligen Namen, der von der DDR-Führung im Kampf gegen die Kirchen und ihren Nachwuchs in Umlauf gebracht worden sei. Das erscheint insofern plausibel, als das Motiv von Kommunisten wie ein Gegensymbol zum „Wappen“ der Sowjetunion betrachtet werden konnte, das Hammer und Sichel über der Weltkugel zeigte.

 

Tatsächlich handelt es sich aber um eine stilisierte Wiedergabe des „Reichsapfels“. So wurde seit dem Mittelalter die Kombination von Kugel – für das Weltganze – und Kreuz – für den Triumph des christlichen Glaubens – bezeichnet, die man aus den Insignien antiker Herrscher abgeleitet hatte. Zu denen gehörte auch die Sphaira, eine runde Scheibe, die das Universum versinnbildlichte. Seit dem 11. Jahrhundert wurde es üblich, die Scheibe durch eine Kugel zu ersetzen, die man fälschlich „Apfel“ – auch der ein sehr altes Symbol – nannte.

Von links nach rechts: Kaiser Otto III. mit der Sphaira, Miniatur, Ende des 10. Jahrhunderts (Quelle: Wikipedia) | Reichsapfel auf einem Stich des 18. Jahrhundert (Quelle: Wikipedia) | Frühe Anstecknadel der Evangelischen Jugend Deutschlands
Von links nach rechts: Kaiser Otto III. mit der Sphaira, Miniatur, Ende des 10. Jahrhunderts (Quelle: Wikipedia) | Reichsapfel auf einem Stich des 18. Jahrhundert (Quelle: Wikipedia) | Frühe Anstecknadel der Evangelischen Jugend Deutschlands

Für die Rolle, die das Kreuz über der Weltkugel als Zeichen der Evangelischen Jugend spielt, ist dieser Zusammenhang allerdings nur von untergeordneter Bedeutung. Was nicht heißt, daß Klarheit über dessen Ursprung besteht. In der Regel stößt man auf eine der folgenden vier Erklärungen:

  1. Es soll sich um das Abzeichen der Evangelischen Jugend handeln, das in der NS-Zeit entstand und Bekenntnistreue zum Ausdruck brachte.
  2. Es soll auf den Pfarrer Otto Riethmüller zurückgehen, der es als gemeinsames Symbol aller evangelischen Jugendorganisationen Mitte der 1930er Jahre eingeführt habe.
  3. Dabei wird gelegentlich auf die Zusammenarbeit Riethmüllers mit dem Schriftkünstler Rudolf Koch abgehoben, der für die Gestaltung zuständig gewesen sei.
  4. Das Kreuz über der Weltkugel wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg als Symbol der Evangelischen Jugend festgelegt.

Was die erste These betrifft, ist darauf hinzuweisen, daß die evangelischen Jugendverbände – die damals fast 700 000 Mitglieder zählten - bereits im Dezember 1933 ihre Selbständigkeit verloren und teilweise in der HJ aufgingen. Das betraf Gruppen wie die Christliche Pfadfinderschaft (CP) oder das Evangelische Jungmännerwerk, den Bund deutscher Bibelkreise (BK) oder den Jugendbund für Entschiedenes Christentum (EC), die Evangelische Arbeiter-Jugend (EAJ) wie die Neulandschar, den großen Bund deutscher Jugendvereine (BDJ) oder die eher elitäre Christdeutsche Jugend.

 

In der Folge achtete das NS-Regime sorgfältig auf die Unterbindung jeder kirchlichen Jugendarbeit, die über religiöse Unterweisung oder Seelsorge hinausging. In einem Rundschreiben vom 16. August 1935 wurde von Amts wegen ausdrücklich festgehalten, daß „das Tragen von Uniformen (Bundestracht, Kluft, usw.), uniformähnlicher Kleidung und Uniformstücke, die auf die Zugehörigkeit zu einem konfessionellen Jugendverband schließen lassen“, untersagt sei; verboten war außerdem „das Tragen von Abzeichen, welche die Zugehörigkeit zu einem konfessionellen Jugendverband kenntlich machen“.

Abbildungen oben: Vorder- und Rückseite eines Wimpels des Christdeutschen Bundes | Abbildungen unten: Abzeichen des BK, des BDJ, des EC, der CP, des Evangelischen Jungmännerwerks | Spendenmarke des Evangelischen Reichsverbands für die weibliche Jugend
Abbildungen oben: Vorder- und Rückseite eines Wimpels des Christdeutschen Bundes | Abbildungen unten: Abzeichen des BK, des BDJ, des EC, der CP, des Evangelischen Jungmännerwerks | Spendenmarke des Evangelischen Reichsverbands für die weibliche Jugend

Schon vor diesem Hintergrund ist ausgeschlossen, daß es etwas wie ein Abzeichen der Evangelischen Jugend in der NS-Zeit geben konnte. Der Hinweis auf Otto Riethmüller führt aber insofern weiter, als dieser Geistliche in seiner Funktion als Leiter der Jugendkammer der Bekennenden Kirche alles tat, um wenigstens gewisse Spielräume offenzuhalten. Der sogenannte „Riethmüller-Kurs“ sah vor, einerseits jede offene Konfrontation mit dem Regime zu vermeiden – schon aus Gründen der Fürsorge für die Heranwachsenden –, andererseits Übergriffe des totalen Staates auf den innerkirchlichen Bereich, wenn nicht abzuwehren, dann doch einzudämmen.

 

Riethmüller war fraglos eine charismatische Figur. Schon während seiner Zeit als hauptamtlicher Leiter des Evangelischen Reichsverbandes der weiblichen Jugend hatte er große Anstrengungen unternommen, eine Theologie für die kommende Generation zu entwerfen, die von der Idee eines tätigen, um nicht zu sagen: heroischen, Christentums getragen war und den Gedanken von Christus als König und Führer in den Mittelpunkt stellte. An kaum einer Stelle ist das so deutlich geworden wie im Text des 1932 von Riethmüller gedichteten Liedes Herr, wir stehen Hand in Hand:

 

„Herr, wir stehen Hand in Hand,

die dein Hand und Ruf verband,

stehn in deinem großen Heer

aller Himmel, Erd und Meer.

 

Wetter leuchten allerwärts,

schenke uns das feste Herz!

Deine Fahnen ziehn voran,

führ auch uns nach deinem Plan!

 

Welten stehn um dich im Krieg,

gib uns teil an deinem Sieg!

Mitten in der Höllen Nacht

hast du ihn am Kreuz vollbracht.

 

In die Wirrnis dieser Zeit

fahre, Strahl der Ewigkeit!

Zeig den Kämpfern Platz und Pfad

und das Ziel der Gottesstadt!

 

Mach in unsrer kleinen Schar

Herzen rein und Augen klar,

Wort zur Tat und Waffen blank,

Tag und Weg voll Trost und Dank!

 

Herr, wir gehen Hand in Hand,

Wandrer nach dem Vaterland;

lass dein Antlitz mit uns gehn,

bis wir ganz im Lichte stehn.“

 

Im Zusammenhang seines Ansatzes hat Riethmüller auf Symbole zurückgegriffen, die im tendenziell bilderarmen Protestantismus sonst nur eine geringe Rolle spielten, aber durch den Einfluß der Liturgischen Bewegung während der 1920er Jahre an Bedeutung gewannen. Hier war das Kreuz über der Weltkugel für ihn besonders wichtig. Dafür spricht zum einen, daß das Motiv auf dem Umschlag seines Buches Des Todes Tod erschien und zum anderen auch über seinen Grabstein gesetzt wurde, als er bereits 1938 verstarb.

Links und in der Mitte Schriften Riethmüllers aus den 1930er Jahren | Rechts das Grab Riethmüllers auf dem Friedhof in Stuttgart-Cannstatt (Quelle: Wikipedia)
Links und in der Mitte Schriften Riethmüllers aus den 1930er Jahren | Rechts das Grab Riethmüllers auf dem Friedhof in Stuttgart-Cannstatt (Quelle: Wikipedia)

Wegen seines frühen Todes hatte Riethmüller keinen Anteil an der Reorganisation der evangelischen Jugendarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Dasselbe gilt in bezug auf den Kalligraphen Rudolf Koch. Für eine engere Beziehung zwischen beiden gibt es keine Beweise. Erwähnt sei außerdem, daß die von Riethmüller bevorzugte Zeichnung des Kreuzes über der Weltkugel ausgesprochen gestreckt wirkte und mit der Art, wie Koch sie entworfen hat, wenig Gemeinsamkeit aufweist. Zu betonen bleibt aber, daß Koch wie kaum ein anderer im 20. Jahrhundert Einfluß auf die künstlerische Gestaltung des kirchlichen Lebens im evangelischen Raum genommen hat. Der reichte von den Lettern, in denen das Gesangbuch gesetzt wurde, über die Ästhetik von Paramenten oder Abendmahlsgerät bis zur Konzeption von didaktischem Material.

 

Koch orientierte sich dabei oft an mittelalterlichen Mustern. Ein Ansatz, der auch seiner bevorzugten Arbeit mit dem Holzschnitt entgegenkam. Für unseren Zusammenhang entscheidend ist, daß er 1923 sein ausgesprochen erfolgreiches Zeichenbuch veröffentlichte, auf dessen Umschlag das Kreuz über der Weltkugel zu sehen war. Ein Symbol, das Koch auch als eine Art persönliches Emblem verwendete.

Von links nach rechts: Kochs "Zeichenbuch", Ausgabe von 1936 | Nummer des "Archivs für Buchgewerbe und Gebrauchsgraphik" von 1933 mit dem Schwerpunktthema "Rudolf Koch und sein Kreis" | Von Koch verwendetes persönliches Signet
Von links nach rechts: Kochs "Zeichenbuch", Ausgabe von 1936 | Nummer des "Archivs für Buchgewerbe und Gebrauchsgraphik" von 1933 mit dem Schwerpunktthema "Rudolf Koch und sein Kreis" | Von Koch verwendetes persönliches Signet

Koch verstarb schon 1934, aber die erste Zeichnung des Symbols der Evangelischen Jugend entspricht bis ins Detail – die Proportion des Gesamtbildes, die leicht auseinanderstrebenden Enden des Kreuzes – seinem Entwurf. Festgelegt wurde es durch die Gründung der Evangelischen Jugend Deutschlands (EJD) am 15. Mai 1946. Sie war als eine Art Dachverband der wiederhergestellten Bünde, sonstigen Organisationen und der Gemeindejugend gedacht, die – wie es in der Zeichenordnung hieß – ihre „Abzeichen“ weiter verwenden durften, während das „Zeichen“ des Kreuzes über der Weltkugel allen gemeinsam sein sollte. Was genau zu dieser Entscheidung führte, läßt sich nicht mehr rekonstruieren. Es spricht aber viel für die Annahme, daß die Erinnerung an Riethmüller und „`sein´ Zeichen“ nachgewirkt hat. Auf einer Sitzung der Jugendkammer vom 28. Januar 1947 wurde außerdem beschlossen, daß man das „Zeichen“ an die Jugendlichen nur „leihweise“ ausgab. Es blieb – theoretisch - Eigentum der Jugendkammer und wurde zusammen mit einem Ausweis überreicht.

 

In jedem Fall spielte das Kreuz über der Weltkugel beim Wiederaufbau der evangelischen Jugendarbeit in den folgenden Jahrzehnten eine wichtige Rolle, fand sich nicht nur als Anstecknadel oder auf Druckwerken, sondern auch als architektonischer Schmuck an kirchlichen Einrichtungen oder als Fahnenbild, entweder als einziges Motiv oder in Verbindung mit anderen.

Oben: Vorder- und Rückseite eines Wimpels der Heliand-Pfadfinderschaft, 1960er Jahre | Unten: Abbildungen aus der EJD-Zeitschrift "Jungenwacht", 1948 | Lageraltar der Christlichen Pfadfinderschaft, Ende der 1950er Jahre
Oben: Vorder- und Rückseite eines Wimpels der Heliand-Pfadfinderschaft, 1960er Jahre | Unten: Abbildungen aus der EJD-Zeitschrift "Jungenwacht", 1948 | Lageraltar der Christlichen Pfadfinderschaft, Ende der 1950er Jahre

Ohne den Hinweis auf diesen Sachverhalt ist auch nicht zu verstehen, wieso dem „Zeichen“ im neuen Kirchenkampf, der seit dem Ende der 1940er Jahre auf dem Boden der Sowjetischen Besatzungszone beziehungsweise DDR geführt wurde, zentrale Bedeutung zuwuchs. Entscheidend ist hier der Hinweis darauf, daß sich die neugegründete Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) als über die Zonengrenzen hinausgreifender, gesamtdeutscher Verband begriff. Entsprechend mißtrauisch wurden ihre Gliedkirchen im kommunistischen Teil beobachtet. Das betraf auch und gerade die Jugendarbeit, nachdem der Versuch gescheitert war, die Freie Deutsche Jugend (FDJ) als Nachwuchsorganisation zu etablieren, die alle Gruppen der Gesellschaft erfaßen sollte. In dem Maß, in dem die FDJ zur „Kaderreserve“ der Staatspartei wurde, wuchs der Druck des SED-Regimes auf kirchlich gebundene Familien, und die Antwort auf die Frage, ob man zum Sonntagsgottesdienst ging, an der sogenannten „Christenlehre“ teilnahm, in der Gemeindearbeit aktiv war und die „Jugendweihe“ als Konfirmationsersatz ablehnte, konnte für junge Christen brisant werden.

 

Dasselbe galt für das Tragen des Zeichens der EJD, auch wenn die Jugendkammer-Ost betonte, daß damit die Stellung der FDJ als Staatsjugendverband nicht in Frage gestellt werde, sondern es sich lediglich um „ein allen mit dem Leben der Gemeinde verbundenen Jugendlichen freistehendes Bekenntniszeichen“ handele. Es gab sogar ein Übereinkommen mit der Sowjetischen Militäradministration in bezug auf das öffentliche Tragen des „Bekenntniszeichens“. Doch führte die krisenhaften Zuspitzung der politischen Lage, in die die DDR 1953 geriet, zu Plänen der Staatsführung, die die „Liquidierung“ der Jungen Gemeinde vorsahen. Am 27. Januar des Jahres beschloß das Politbüro der SED in einem ersten Schritt deren „Entlarvung … in der Öffentlichkeit als einer Tarnorganisation für Kriegshetze, Sabotage und Spionage, die von westdeutschen und amerikanischen imperialistischen Kräften dirigiert wird“.

 

In der Folge wurde massiv gegen das Tragen des Kreuzes über der Weltkugel vorgegangen. Aufschlußreich ist in dem Zusammenhang ein Anschlag, der am „Schwarzen Brett“ der Leipziger Herderschule zu sehen war und sich ganz konkret gegen ein Mitglied der Jungen Gemeinde richtete: „Hinter diesem Kugelkreuz tarnen sich bezahlte Agenten, Spione, Faschisten im Priesterrock. Sie mißbrauchen das Christentum, um mit Hilfe ihrer imperialistischen Auftraggeber unsere Werktätigen am friedlichen Aufbau zu hindern. Heuchlerisch nutzten sie die Großzügigkeit unserer Regierung aus und verseuchten junge Menschen mit ihrem Gift. Das ist uns allen sehr gut bekannt. Auch Eva Kißeling weiß das! Trotz oder vielleicht gerade deshalb zeigt sie sich mit diesem Kugelkreuz in der Schule.“

Abbildungen oben: Ausgabe des Unterrichtswerks für die "Christenlehre", 1952 | Bildpostkarte mit Foto von der Eröffnungsfeier des Evangelischen Kirchentags in Leipzig, 1954 | Abbildung unten: Agitationsplakat der SED gegen die Christenlehre, 1959.
Abbildungen oben: Ausgabe des Unterrichtswerks für die "Christenlehre", 1952 | Bildpostkarte mit Foto von der Eröffnungsfeier des Evangelischen Kirchentags in Leipzig, 1954 | Abbildung unten: Agitationsplakat der SED gegen die Christenlehre, 1959.

Selbst die Block-CDU suchte zu vermitteln, aber der Druck auf die Junge Gemeinde verschärfte sich so sehr, daß die Sächsische Kirchenleitung plante, das Bekenntniszeichen (im Rahmen von Abendmahlsgottesdiensten) wieder einzuziehen. Dazu scheint es aber nicht gekommen zu sein. Nach dem gescheiterten Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gab sich das Regime den Anschein der Mäßigung und erlaubte auch im Folgejahr die Durchführung eines – gesamtdeutschen – Evangelischen Kirchentags in Leipzig. Bei dessen Veranstaltungen war das Kreuz über der Weltkugel - oft in großen Abmessungen als Installation oder Fahnenbild - allgegenwärtig.

 

Was aber kein Ende der Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat bedeutete. Erwähnt sei an dieser Stelle der Fall der illegalen Christlichen Pfadfinderschaft Ost-Berlins, genannt „Markschaft Ost“. Sie konnte nur existieren auf Grund der besonderen Lage Gesamt-Berlins vor dem Bau der Mauer im August 1961. Bis dahin war es grundsätzlich möglich, die Sektorengrenze zu überschreiten, sich im freien Teil der Stadt einen Rückzugsraum zu sichern und mehr oder weniger ungehindert nach Westdeutschland zu reisen und dort auf Fahrt zu gehen. Organisiert wurde die Markschaft Ost unmittelbar nach Kriegsende von Ehemaligen der Christlichen Pfadfinderschaft aus der Zeit vor 1933. In vielem erinnerte ihr Auftreten an die „Schwarzen Bünde“ der NS-Zeit; was sie trieb, brachte ein Ehemaliger auf die Formel, in der Vergangenheit hätten Christen „der braunen Diktatur den Widerstand angesagt, wir wollten das tun gegen die rote“. Selbstverständlich mußte im Hinblick auf die Symbolik Vorsicht walten. Man trug vor Ort das „Bekenntniszeichen“, aber nur in West-Berlin oder der Bundesrepublik traten die CPler mit schwarzem Halstuch (im Gegensatz zum roten der Jungpioniere oder dem blauen der FDJ) und eigenen Fahnen offen auf. So führte der Stamm Dietrich Bonhoeffer ein Tuch mit dem Kreuz über der Weltkugel, in die die Pfadfinderlilie eingestickt war, dazu die Aufschrift „Für Christus – Allzeit bereit“, in der Horte Hans Scholl wurde sogar auf die alte Fahne der dj.1.11 mit Silberfalken und Wellenlinien zurückgegriffen. Das Ende für die Markschaft Ost kam, als eine Großfahrt nach Usedom aufflog. Die jugendlichen Teilnehmer wurden in der angespannten Atmosphäre nach dem Mauerbau wegen „konterrevolutionärer Gruppenbildung“ zu Zuchthausstrafen zwischen einem und acht Jahren verurteilt.

 

Zu diesem Zeitpunkt hatte die evangelische Kirche in der DDR bei weitem nicht mehr die Bedeutung, die ihr noch bis zur Mitte der 1950er Jahre zugekommen war. Das lag zum einen an der Flucht vieler aktiver Gemeindemitglieder, zum anderen an den fortdauernden Schikanen und zuletzt an der Wirkung der atheistischen Propaganda. Das Bekenntniszeichen spielte jedenfalls nur noch innerhalb des Gemeindelebens eine Rolle. Dagegen hatte das Verschwinden aus der Öffentlichkeit der Bundesrepublik vor allem mit dem Traditionsbruch und dem Bedeutungsverlust der Kirche zu tun. Immerhin hat die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland (AEJ) als Nachfolgerin der Jugendkammern bisher der Versuchung widerstanden, das Symbol des Kreuzes über der Weltkugel ganz zu beseitigen oder es in irgendeiner modischen Variante – zeitweise machte der „Enterhaken“ Furore – zu nutzen.

Von links nach rechts: Die "Enterhaken-Variante" | Logo der aej (Quelle: Wikipedia) | Aktuelle Form des Abzeichens der Evangelischen Jugend
Von links nach rechts: Die "Enterhaken-Variante" | Logo der aej (Quelle: Wikipedia) | Aktuelle Form des Abzeichens der Evangelischen Jugend