Junger Fritz - Großer Bär


Briefmarke der dänischen Postverwaltung für Grönland, 1903
Briefmarke der dänischen Postverwaltung für Grönland, 1903

Bärenkulte haben sich auf der ganzen nördlichen Erdhalbkugel bis in historische Zeit erhalten. Manchmal diente der Bär als mythischer Ahn, so etwa bei den Ainu, den Ureinwohnern Japans, aber auch bei vielen sibirischen und Indianerstämmen Nordamerikas. Hier spielte der Bär außerdem eine Rolle als Totem und als Emblem von Männerbünden. Daß der Bär für Krieger und Jäger einen naheliegenden Bezug darstellte, liegt auf der Hand und erklärt weiter, warum bei den germanischen Völkern die militärischen Eliten als „Berserker“ – „Bärenkrieger“ bezeichnet wurden. Ähnlich den Werwölfen verwandelten sich die Berserker durch das Überwerfen eines Fells in das Tier ihres Bundes und nahmen dessen Eigenschaften an, vor allem, was Angriffslust und Stärke, aber auch, was den Blutdurst betraf. Der „Berserkergang“ war gefürchtet, weil der Berserker nach gewonnener Schlacht manchmal amok in den eigenen Reihen weiterwütete.

 

Wahrscheinlich gab es auch bei den Kelten Bärenkrieger. Auffällig ist jedenfalls, daß der Name des berühmten Artus auf das gälische arth für Bär zurückgeht, das außerdem den Ursprung des griechischen arctos für „Bär“ (dazu Arktis im Sinne von „Bärenland“) bilden könnte; der Zusammenhang zwischen dem Sternbild des Großen Bären – für die Kelten „Der Wagen des Artus“ - und dieser Himmelsrichtung ist offensichtlich. „Bär“ als Teil des Individualnamens ist im Deutschen bis heute gebräuchlich geblieben, im Schweizerischen kann sogar „Bär“ oder latinisiert „Urs“ alleine stehen, verbreiteter finden sich Bernhard, Bernward, verkürzt Bernd, oder aus dem Skandinavischen übernommen Björn. Der Name des angelsächsischen Helden Beowulf könnte auf einem Tabu beruhen, weshalb man ihn als Bärenkrieger bee wulf - "Bienenwolf" nannte.

 

Wenn Bernhard und Bernward außerdem die Namen von berühmten Heiligen sind, so konnte doch der Bär in der christlichen Symbolwelt niemals eine positive Bedeutung gewinnen. Michel Pastoureau hat sogar die Hypothese aufgestellt, daß die Dominanz des Löwen in der ritterlichen Heraldik auf der aktiven Verdrängung des Bären als bevorzugtes emblematisches Tier des heidnischen Europa zurückzuführen ist (Karl der Große soll im Rahmen der Christianisierung der Sachsen regelrechte Feldzüge gegen Bären mit dem Ziel ihrer Ausrottung durchgeführt haben, um deren Verehrung unmöglich zu machen).

 


In der Bibel taucht das Tier nur an wenigen Stellen auf, wahrscheinlich, weil es in der antiken Mittelmeerwelt schon selten geworden war. Es erscheint regelmäßig als Räuber mit wenig erfreulichen Eigenschaften. Immerhin ließ der Prophet Elisa zwei Bären aus dem Wald kommen, um Kinder zu zerreißen, die ihn verspottet hatten. Entsprechend blieb das Bild des Bären in der christlichen Ikonographie des Mittelalters negativ. Der Bär galt als Sinnbild der Wollust oder sogar des Teufels. Wenn Bären als Begleiter von Heiligen auftraten – etwa von St. Gallus -, dann, weil ihre Wildheit überwunden wurde. Vielleicht erklärt das auch, warum der Bär in der Heraldik nur relativ selten als Wappenbild auftrat (erhalten geblieben im Fall von Bern und St. Gallen, Berlin oder Anhalt). Dieser Mangel setzt sich im Grunde bis in die politische Symbolik der Gegenwart fort, die den Bären nur ausnahmsweise, zum Beispiel bei den Bewegungen der Ainu oder indianischer Stämme, verwendet; Eisbären tauchen immerhin im Wappen Grönlands (schon seit dem 16. Jahrhundert) und im Emblem der separatistischen Alaska Independent Party auf.

 

Weitgehend in Vergessenheit geraten war auch die Allegorie des „russischen Bären“, die wohl Mitte des 19. Jahrhunderts entstand und in der Hochzeit des Imperialismus außerhalb Russlands populär war und den Bären wegen seiner mächtigen und bedrohlichen Erscheinung mit dem Zarenreich assoziierte. Vielleicht aus diesem Grund hat sich Putin das symbolpublizistische Zurücktreten des Bären zu Nutze gemacht, um ein eindrucksvolles Emblem für seine Bewegung „Einiges Rußland“ zu schaffen, die die blaue Silhouette eines auf allen vieren schreitenden Bären zeigt, unter den russischen Nationalfarben Weiß-Blau-Rot.