Hakenkreuz & Sternenbanner


Flagge der ehemaligen US-Territorien des "Greater Nazi Reich"
Flagge der ehemaligen US-Territorien des "Greater Nazi Reich"

Im Vorspann der Serie „The Man in the High Castle“ erscheint eine Variante der US-Flagge, bei der die weißen Sterne auf blauem Grund durch ein Hakenkreuz ersetzt wurden. Das gibt dem Zuschauer einen ersten Hinweis auf das Konzept dieser Filmreihe, die mit den Möglichkeiten der „Alternativen Geschichte“ spielt: hier wurden die Vereinigten Staaten 1947 besiegt, die Achsenmächte triumphierten. Japan hat die Westküste besetzt, das Deutsche Reich die Ostküste. Dann wurden Satellitenstaaten errichtet: über dem japanischen weht eine Variante der japanischen Nationalflagge mit dem roten Kreis im Zentrum, über dem deutschen die Abwandlung der Stars and Stripes.

 

Die Macher der Filme folgen damit den Mustern, die durch die politische Praxis des 20. Jahrhunderts vorgegeben sind. Tatsächlich haben die Sieger in den von ihnen geschaffenen Protektoraten regelmäßig entweder ihre eigenen Hoheitszeichen etabliert (zum Beispiel bei „Eingliederung“ der baltischen Gebiete in die Sowjetunion nach 1944 / 45) oder zum Schein die Kontinuität gewahrt und lediglich Details so abgeändert, daß bei genauerer Betrachtung die Verschiebung der Machtverhältnisse deutlich wurde (zum Beispiel nach der deutschen Annexion „Böhmens und Mährens“ 1939).

 

Im konkreten Fall geht es aber in erster Linie um die Irritation des Zuschauers, der die Verknüpfung zweier gegensätzlicher Symbole präsentiert bekommt: das Sternenbanner, das für Freiheit und Demokratie steht, das Hakenkreuz, das Unterdrückung und totalitäre Herrschaft vertritt. Die Synthese beider soll als widersinnig erscheinen, so widersinnig wie die Möglichkeit, daß der Zweite Weltkrieg ein anderes Ende genommen haben könnte als das, das wir kennen.

 

Indes gehört es zum Wesen der Symbolik, daß die Eindeutigkeit der Zuordnung oft nur eine scheinbare ist. So auch in diesem Fall. Denn tatsächlich standen sich Hakenkreuz und Sternenbanner nicht immer feindlich gegenüber. Lange Zeit verlief ihre Beziehung ganz harmonisch. Wahrscheinlich war das Hakenkreuz nach seiner Wiederentdeckung am Ende des 19. Jahrhunderts in keinem anderen Land so populär wie in den USA. „Swastika“ war ein beliebter Ortsname, vor allem in Goldgräbergebieten (auch denjenigen Kanadas), das Emblem tauchte als Brosche und Manschettenknopf auf, als Krawatten- wie als Hutnadel, es diente zahlreichen Firmen als Markenzeichen oder Werbemittel (nicht zuletzt Coca Cola) und ganz allgemein als Glückssymbol, das man auf Glückwunschkarten neben vierblättrigem Klee, Ferkel und Schornsteinfeger anbrachte, das auf Pokerchips oder der Rückseite von Spielkarten erschien.



Ein Teil dieser Beliebtheit hatte damit zu tun, daß viel Kunsthandwerk, das in den Indianerreservaten angeboten wurde, das Hakenkreuz zeigte. Ob es sich dabei um eine genuine Tradition handelte oder um eine modische Übernahme, ist mit Sicherheit kaum zu sagen. Indes galt die Swastika in den USA bald ganz selbstverständlich nicht nur als „indisches“, sondern eben auch als „indianisches“ Symbol. Das erklärt zum Teil, warum es schließlich sogar in die politische, genauer: die militärische, Symbolik eindrang. Als der 45. Infanteriedivision 1923 ein neues Abzeichen verliehen werden sollte, entschied man sich jedenfalls für ein gelbes Hakenkreuz auf rotem Feld. Die Begründung lautete, daß die Rekruten der Einheit in erster Linie Indianer aus Oklahoma, New Mexico, Colorado und Arizona sein würden, die im Hakenkreuz eine Art Talisman sahen. Hinzuweisen ist allerdings darauf, daß zuvor schon zwei Feldartillerieregimenter der US-Armee Hakenkreuzabzeichen verwendet hatten: das 350. führte ein weißes Hakenkreuz (linkslaufend), in der Mitte ein blauer Kreis, auf rotem Feld, das 351. ein weißes Hakenkreuz (rechtslaufend), in der Mitte ein roter Kreis, auf blauem Feld. Bizarrer Weise gehörten beide Regimenter zur 92. Division, die als „colored“ geführt wurde, das heißt daß sie nur aus schwarzen, indianischen und Soldaten asiatischer Herkunft bestand.

 

Was die Motivwahl entschieden hat, ist nicht bekannt, aber es spricht manches für die Annahme, daß es der exotische Charakter des Hakenkreuzes war, der den Ausschlag gab. Ideologische Aspekte – gar im Sinn der späteren NS-Ideologie – können ausgeschlossen werden. Andererseits muß die Vorstellung von der positiven Bedeutung der Swastika in den Köpfen der Amerikaner und zumal der Ureinwohner so fest verankert gewesen sein, daß eine Korrektur nur mit Mühe durchzusetzen war. Nachdem die US-Regierung 1939 bei Beginn des Zweiten Weltkriegs (aber zwei Jahre vor dem eigenen Kriegseintritt) angeordnet hatte, das Hakenkreuz im Emblem der 45. Infanteriedivision durch einen „Donnervogel“ zu ersetzen, mußte in den Indianersiedlungen doch einiges an „Aufklärung“ geleistet werden, um klarzumachen, daß das, was bis dahin als Heilszeichen galt, nun als Unheilszeichen zu verstehen sei.