Feuerstahl


Feuerstahl der Wikingerzeit mit Aufsatz aus Bronze, Reiter darstellend
Feuerstahl der Wikingerzeit mit Aufsatz aus Bronze, Reiter darstellend

Feuerstahl, Feuerschläger, Feuereisen sind so ungewöhnliche Begriffe, daß selbst Suchmaschinen Mühe haben, sie mit sinnvollen Inhalten zu verknüpfen. Der Grund dafür liegt in der altertümlichen Verwendungsweise dieses Werkzeugs. Heute nutzen bestenfalls noch Reenactment-Darsteller oder Outdoor-Extremisten einen Feuerstahl, um durch das Aufschlagen der Metallkante Funken zu erzeugen. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts bestand aber das übliche „Feuerzeug“ aus Feuerstahl, Feuerstein und Zunder.

 

Die Ursprünge des Feuerstahls gehen wahrscheinlich bis in die Eisenzeit zurück, seine Verwendung in der Antike gilt als gesichert. Aber erst im Mittelalter wurde ihm auch symbolische Bedeutung zugeschrieben. In Skandinavien scheint der Feuerstahl eine besondere, vielleicht sogar kultische Funktion besessen zu haben. Es sind einige Stücke erhalten, bei denen die Handhabe als Figuren, ausgeformt wurden (Abbildung links), die wohl Götter darstellten. Von einem solchen religiösen Gebrauch war nach der Christianisierung keine Rede mehr. Aber es sind aus späterer Zeit mehrere Dutzend Wappen bekannt, die einen oder mehrere Feuerstahle zeigten. Im allgemeinen war es üblich die Handhaben in gebogener Form darzustellen. Häufig benutzten bürgerliche Familien den Feuerstahl als „redendes“ Wappen, so wenn der Name Stahl, Stal (Deutschland), Sthaal, Stael (Niederlande) oder Steel (Schottland) lautete. Aber er kam auch sonst als Figur im Schild oder als Helmzier vor, selbst bei adeligen Geschlechtern.

 

Außerhalb der Heraldik im genauen Sinn des Wortes fand sich der Feuerstahl in der Symbolik der byzantinischen Kaiser. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts verwendeten sie ein sogenanntes „Tetragramm“, ein griechisches Kreuz, in dessen Ecken vier Feuerstahle zu sehen waren, mit den Schlagseiten gegeneinander gerichtet. Welche genaue Bedeutung dieses Sinnbild hatte, ist umstritten, aber naheliegend, die Form der Feuerstahle mit dem griechischen Buchstaben „Beta“ zu verknüpfen, den Anfang des Wortes „Byzanz“. Es gab aber auch die Deutung, die vier Betas stünden für Basileus Basileon Basileuon Baliseuonton zu deutsch „König der Könige, Herrscher über Könige“.


 



Die Ähnlichkeit dieser Darstellung des Feuerstahls mit der im mittelalterlichen Burgund üblichen ist frappierend. Selbstverständlich liegt die Vorstellung nahe, daß man es auch hier mit einer Anspielung auf den ersten Buchstaben im Namen des Herzogtums zu tun haben könnte. Aber wahrscheinlich geht es um mehr. Eine Spur führt zu den Kreuzzugsplänen, die von den burgundischen Herrschern seit der Mitte des 14. Jahrhunderts verfolgt wurden. In deren Zusammenhang gehörte auch noch die Gründung des Ordens vom Goldenen Vlies. Dessen Mitglieder wurden nicht nur auf die Ideale des mittelalterlichen Rittertums eingeschworen, sondern auch auf die Befreiung des Heiligen Landes, das ursprünglich zum byzantinischen Reich gehört hatte. Die Kollane des Ordens setzte sich aus jeweils zwei an der Handhabe ineinander verschränkten, funkensprühenden Feuerstahlen zusammen.

 

Als Philipp der Gute den Orden 1430 stiftete, hatte er das Emblem allerdings schon länger als persönliche Devise verwendet. Denn es gehörte zu den Waffen in jenen Symbolkriegen, die er wie seine Vorgänger gegen die Krone Frankreichs führte. Dabei entwickelten beide Seiten eine in vieler Hinsicht ausgesprochen modern wirkende Propaganda, die den militärischen Kampf um die Unabhängigkeit eines burgundischen Königreichs unterstützte. Um seine Unversöhnlichkeit mit Frankreich zum Ausdruck zu bringen, hatte Philipps Vater, Johann Ohnefurcht, als Devise einen Hobel verwendet, umgeben von Spänen. Damit spielte er auf den „Balken“ (gemeint ist eigentlich ein „Turnierkragen“) im Wappen seines Erzfeindes, Philipp von Orleans, an. Der Feuerstahl, begleitet von Funken, mußte da noch deutlicher als Drohung verstanden werden, denn im Feuer würde der „Balken“ zu Asche verbrennen.

 

So wie der höfische Stil Burgunds in ganz Europa als vorbildlich galt, hat sich auch der Feuerstahl in der Emblematik des ausgehenden Mittelalters und der Renaissance verbreitet. Dabei wurde der Sinn in bezeichnender Weise verschoben, weil der ursprüngliche Kontext seine Bedeutung verlor und die Freude an rätselhaften Bildern wuchs. In erster Linie deutete man das Bild jetzt als Allegorie: Der Aufschlag des Feuerstahls befreite die Flamme – der Erkenntnis, der Wahrheit, der Liebe, der Tugend -, die im Stein verborgen lag. Entschlossenheit war dabei ebenso notwendig wie Kraft. Die italienische Fürstenfamilie Visconti hat zahlreiche Sinnbilder mit dem Feuerstahl hinterlassen, kombiniert mit verschiedenen Devisen, darunter „O mo o mai“, etwa: „Jetzt oder nie“.