Das Chi-Rho


Mosaik mit der Darstellung des Chi-Rho aus dem Grabmal der Kaiserin Galla Placidia, Ravenna, 6. Jahrhundert
Mosaik mit der Darstellung des Chi-Rho aus dem Grabmal der Kaiserin Galla Placidia, Ravenna, 6. Jahrhundert

Chi-Rho steht für die griechischen Buchstaben, denen im lateinischen Alphabet „Ch“ und „R“ entsprechen; sie bilden den Anfang des Wortes christos - „Christus“ und sind seit dem 4. Jahrhundert als Zeichen des christlichen Glaubens verbreitet. Nach der Überlieferung des Eusebius von Caesarea soll Kaiser Konstantin 312, vor der Schlacht an der Milivischen Brücke gegen seinen Konkurrenten Maxentius, im Traum ein Chi-Rho-Zeichen erschienen sein. Dazu habe er die Worte In hoc signo vinces - „In diesem Zeichen wirst du siegen“ vernommen. Daraufhin ließ Konstantin seinen Soldaten befehlen, das Chi-Rho auf ihren Rüstungen und Schilden anzubringen.

 

Konstantin hat diese Erzählung später durch einen Eid ausdrücklich bestätigt und mit dem Sieg über Maxentius seinen Übertritt zum christlichen Glauben begründet. Zu den realpolitischen Motiven, die ihn zu diesem Schritt bewogen, dürfte allerdings gehört haben, daß die Reichseinheit immer stärker durch den ethnischen, kulturellen und religiösen Pluralismus bedroht wurde. Die Versuche, dem durch die Rückkehr zum alten Staatskult zu begegnen, waren ebenso gescheitert, wie der von Konstantin zeitweise favorisierte Plan, eine neue Religion einzuführen, in deren Mittelpunkt der Sonnengott Sol-Mithras stehen sollte (Festlegung des dies solis – also des „Sonntags“ - als wöchentlicher Feiertag!).

 

Immerhin könnte man sich die praktische Umsetzung des plötzlichen Entschlusses von Konstantin zur Anbringung des Chi-Rho erleichtert vorstellen, wenn nur ein sowieso vorhandenes Sonnenkreuz (bestehend aus einer Senkrechten, kombiniert mit einem Schrägkreuz) durch einen Bogen am oberen Ende zum Rho erweitert werden mußte. Für diese Annahme existieren keine quellenmäßigen Belege. Allerdings ist auffallend, daß für lange Zeit nach der Konstantinischen Wende, als die Scheu vor der Darstellung des Kreuzes noch fortbestand, derartige Embleme als Symbole in Kirchenräumen oder an Sarkophagen angebracht wurden.

 


Die Einführung des Christentums als bevorzugter, ab 380 als Staatsreligion, im römischen Reich hatte in jedem Fall gravierende Folgen für den bisherigen politischen Symbolgebrauch. Die Tatsache, daß der Adler sehr eng mit dem alten heidnischen Glauben verknüpft gewesen war, führte auch zur – vorübergehenden - Abschaffung der Legionsadler. Schon unter Konstantin war außerdem das Labarum zur Hauptheeresfahne bestimmt worden, das vom Chi-Rho bekrönt wurde. Es bestand aus einer langen goldenen Lanze mit einer Querstange, von der ein purpurfarbenes Tuch hing. An der Lanze oder auf dem Tuch waren drei Bildnisse, die den Kaiser und seine beiden ältesten Söhne zeigten, befestigt. Am oberen Ende befand sich das Christusmonogramm, von einem Siegeskranz umrahmt. Die Bewachung des Labarum übertrug Konstantin fünfzig der tapfersten Krieger, den labarii. Auf Grund von Münzbildern, die das Labarum zeigen, ist es allerdings auch möglich, daß das Chi-Rho auf dem Fahnentuch selbst abgebildet gewesen sein könnte.

 

Das Chi-Rho hat bis heute eine erhebliche Bedeutung nicht nur als religiöses, sondern auch als politisches Zeichen. Das gilt bevorzugt für die Diaspora und dabei vor allem für Katholiken, aber auch ganz allgemein für christlich-identitäre Bewegungen. Das Motiv des „In diesem Zeichen siege“ ist zusammen mit der Vorstellung von Fahnen, die vom Himmel fielen oder deren Bild in Visionen gesehen wurde, in der europäischen Glaubensgeschichte weit verbreitet und bis in die Neuzeit hinein auch zu politischen Zwecken umgeformt worden.